DeutschWissen und Gesellschaft

Von der Steinzeit ins Internet

Prof. Dr. Lutz Jäncke kombiniert eigene Forschungen und die Erkenntnisse aus Neurowissenschaft, Verhaltensbiologie und Psychologie, um der Frage auf den Grund zu gehen, ob und wie die digitale Technik unser Sozialverhalten, unsere Kommunikation, unsere Selbstsicht verändert. Fern von Zukunftspessimismus, aber kritisch ist seine Sicht auf die Digitalisierung. Wie man es schafft, sich nicht von digitalen Reizen überrollen zu lassen, sondern die Technik gezielt und verantwortlich zu nutzen, vermittelt er in seinem Buch.
Hier stellt er in Stichpunkten einige wesentliche Überlegungen vor.

Mein Bestreben mit dem Buch „Von der Steinzeit ins Internet“ ist es, die Internetwelt und deren Auswüchse in den Kontext der biologischen Entwicklung des Menschen zu stellen, um zu demonstrieren, dass wir mit dieser Welt eigentlich nicht gut umgehen können.

Das Internet

Noch nie hat sich in der Menschheitsgeschichte in so kurzer Zeit – innerhalb einer Generation – eine kulturelle und technische Revolution entfaltet, wie in den letzten 10 bis 15 Jahren. In dieser Zeit hat das Internet gewissermaßen die Oberhand gewonnen. Die damit entstehende Informationsflut ist so dramatisch, dass ich mich frage, ob unser Gehirn überhaupt noch in der Lage ist, dieser Informationsflut Herr zu werden. Werden wir in der Zukunft zu Sklaven der Reize des Internets? Werden wir das Internet beherrschen können?

Der Mensch

Bei aller Euphorie über den Menschen dürfen wir nicht vergessen, dass wir ein biologisches Wesen sind, und dieses biologische Wesen hat sich im Zuge der Evolution über viele hunderttausend Jahre entwickelt, in dieser Entwicklungsspanne haben wir Verhaltensweisen entfaltet, die für unser Leben von herausragender Bedeutung sind. Dazu gehören Verhaltensweisen wie unser Sozialverhalten, unsere Kommunikation, aber auch unsere Verhaltensweisen, die wir benötigen, um Vertrauen und Bindung aufzubauen. Ich frage mich, ob diese Verhaltensweisen überhaupt noch Entfaltung finden in der modernen Internetwelt. Ist es nicht eine große Gefahr, dass wir diese Verhaltensweisen gar nicht mehr zeigen können?

Die Zukunft

Werden wir die Zukunft meistern können? Vor allem: werden wir die Zukunft meistern können mit dem Inventar, das uns die Natur geschenkt hat? Ich bin da stark im Zweifel. Wir benötigen eigentlich eine Abkehr von unseren biologischen Grundlagen, um das, was auf uns zukommt, in den Griff zu kriegen. Wir müssten vor allem etwas mehr Selbstdisziplin entwickeln. Und wenn ich sage: etwas mehr, meine ich, wir müssten viel mehr Selbstdisziplin entwickeln. Wir müssen eigentlich unsere Emotionen in den Griff bekommen, damit die Vernunft sich endlich durchsetzt und dann können wir zu dem werden, was wir eigentlich sein sollen, nämlich der weise Mensch, der Homo sapiens.

Prof. Dr. Lutz Jäncke

Lutz Jäncke ist seit 2002 Professor für Neuropsychologie an der Universität Zürich. Er studierte in Bochum, Braunschweig und Düsseldorf Biologie und Psychologie und war Heisenberg-Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft. In der Folge arbeitete er als Senior-Researcher am Kernforschungszentrum Jülich, als Professor an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, bevor er als Ordinarius nach Zürich wechselte. Seine Forschungsschwerpunkte sind die funktionelle Plastizität des menschlichen Gehirns ebenso wie die neuronalen Grundlagen des Lernens und Gedächtnisses. Lutz Jäncke gehört zu dem 1% der am häufigsten zitierten Wissenschaftler weltweit. Lutz Jäncke ist ein häufig gefragter Fachmann für Fragen der Neurowissenschaft und Psychologie bei internationalen Forschungsgremien und öffentlichen Medien. Des Weiteren ist er ein beliebter Keynote-Sprecher zu seinen Forschungsthemen und aktuellen gesellschaftlichen Fragen.