Welche Normen sollen zur Messung der Lese-, Rechtschreib- und Rechenleistung herangezogen werden?
Mia wird aktuell nach dem Lehrplan vom Anfang der 2. Klasse unterrichtet, hat aber schon Unterricht am Ende der 2. Klasse erhalten. Moritz wurde zuletzt nach dem Lehrplan am Ende der 1. Klasse beschult, hat jedoch schon das erste Halbjahr der 2. Klasse besucht. Beim Rechtschreiben und Rechnen werden in Abhängigkeit von der Klassenstufe neue Regeln bzw. Algorithmen gelernt. Das wiederholende Kind hat also zu Beginn des zu wiederholenden Schuljahres (zumindest theoretisch) bereits mehr Regeln und Algorithmen erworben als seine Klassenkamerad*innen und verfügt zudem über ein Jahr mehr Leseerfahrung.
Viele Testverfahren zum Lesen, Rechtschreiben und Rechnen lassen die Anwender*innen mit der Frage allein, welche Normen im Falle von Klassenwiederholungen und Rückstellungen angewendet werden sollen. Dafür kommen prinzipiell die Normtabellen der aktuellen Klassenstufe oder jene von bereits durchlaufenen höheren Klassenstufen in Betracht. Unabhängig davon, wie die Entscheidung ausfällt, entsteht bei der Messung ein Fehler in der einen oder anderen Richtung:
Variante 1: Klassenwiederholung ignorieren
Für Mia hieße das, bezüglich des Lesens, Rechtschreibens und Rechnens die Normen vom Beginn der 2. Klasse zu verwenden, für Moritz jene vom Ende der 1. Klasse. Diese Normen sind für das in Frage stehende Kind zu „weich“, weil ihm durch die Klassenwiederholung bereits mehr Stoff vermittelt wurde als seinen Klassenkamerad*innen. Die Kinder schneiden im Ergebnis also eher „zu gut“ ab.
Variante 2: Testen auf dem höchsten Niveau, auf dem bereits beschult wurde
Für Mia hieße das, die Normen vom Ende der 2. Klasse anzuwenden, für Moritz jene vom Ende des ersten Halbjahres der 2. Klasse. Problematisch ist hierbei, dass das Kind zwar den weitergehenden Stoff schon behandelt hat, in der Schule allerdings gerade auf einem niedrigeren Niveau übt: Die Normen sind also (gemessen am aktuellen Übungsstand) für dieses Kind etwas strenger als für solche, die sich aktuell tatsächlich im betreffenden Zeitfenster des Schuljahres befinden.