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Erfassung der Arbeitszufriedenheit mit dem IAZ

In Zeiten von Fachkräftemangel, hoher Fluktuation und digitalen Umstrukturierungen der Arbeitswelt ist es besonders wichtig, die Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen im Auge zu behalten und regelmäßig zu überprüfen. Autor und Personaldiagnostikexperte Uwe P. Kanning erläutert im Gespräch den Aufbau, die Einsatzmöglichkeiten und die größten Vorteile des neuen Inventars zu Erfassung der Arbeitszufriedenheit IAZ.

Einsatz und Aufbau des IAZ

Wann ist es für ein Unternehmen sinnvoll, die Mitarbeitenden nach ihrer Arbeitszufriedenheit zu befragen?

Ganz grundsätzlich bietet es sich an, die Arbeitszufriedenheit der Belegschaft in größeren Abständen immer wieder zu erfassen, um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie die Stimmung im Unternehmen ist. Darüber hinaus gibt es viele spezifische Anlässe, beispielsweise, wenn die Fluktuations- oder Krankheitsrate ansteigen, Veränderungsprozesse im Unternehmen durch eine Evaluation begleitet werden sollen oder Feedback im Rahmen der Führungskräfteentwicklung gegeben werden soll.


Das IAZ steht in einer Langform mit 94 Items und einer Kurzform mit 8 Items zur Verfügung. Gibt es Empfehlungen, wann welche der beiden Versionen eingesetzt werden sollte?

Die Langform ermöglicht eine differenzierte Analyse der Arbeitszufriedenheit. Hier werden insgesamt 14 verschiedene Facetten der Arbeitszufriedenheit unterschieden (z. B. Zufriedenheit mit den eigenen Arbeitsaufgaben oder Zufriedenheit mit der Kollegialität im Team). Sie bietet sich an, wenn die Arbeitszufriedenheit im Zentrum des Interesses steht und sehr differenziert betrachtet werden soll. Die Kurzversion ist sinnvoll, wenn eine vergleichsweise grobe Einschätzung der Arbeitszufriedenheit ausreicht oder im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung viele weitere Themen neben der Arbeitszufriedenheit untersucht werden sollen.


Inwiefern ist sichergestellt, dass die vom IAZ erfassten Bereiche die relevanten Aspekte der Arbeitszufriedenheit abbilden?

Im Manual finden sich die Ergebnisse mehrerer Studien zur Validierung des Fragebogens, die aufzeigen, welche Relevanz die verschiedenen Facetten der Zufriedenheit für unterschiedlichen Aspekte des beruflichen Lebens haben, z. B. für die Menge der Krankheitstage, die Bereitschaft, das Unternehmen zu wechseln, oder die berufliche Leistung.


Müssen bei Vorgabe der Langform immer alle enthaltenen Fragen beantwortet werden?

Nein, manche Fragenblöcke werden bewusst ausgespart, wenn sie für die Zielgruppe nicht sinnvoll sind. So wäre es beispielsweise nicht sinnvoll, Personen, die keinen Kundenkontakt haben, nach ihrer Zufriedenheit mit den Kundinnen und Kunden zu befragen. Darüber hinaus gilt: Bei der Befragung zu einer Facette der Arbeitszufriedenheit darf maximal eine Frage ausgelassen werden. Ansonsten sind eine Auswertung und Normierung nicht mehr sinnvoll.


Welche Vorteile hat das IAZ gegenüber anderen Verfahren zur Erfassung der Arbeitszufriedenheit und gegenüber Fragen, die im Unternehmen selbst zusammengestellt werden?

Der Vorteil liegt darin, dass die Qualität der Fragen des IAZ in zahlreichen Studien wissenschaftlich überprüft wurde. Es ist somit bekannt, wie messgenau und valide die Aussagen der Untersuchung mit dem IAZ sind. Bei selbst formulierten Fragen ist dies ungewiss. Darüber hinaus bietet der Einsatz des IAZ die Möglichkeit, mit normierten Daten zu arbeiten. Man erhält also eine Information darüber, inwieweit die im eigenen Unternehmen festgestellte Arbeitszufriedenheit als unter- oder überdurchschnittlich zu bewerten ist.

 

Absolute und relative Arbeitszufriedenheit

Mit dem IAZ kann sowohl die „absolute“ als auch die „relative“ Arbeitszufriedenheit erfasst werden. Welchen Vorteil hat es, beides zu berücksichtigen?

Die absolute und die relative Arbeitszufriedenheit sind zwei Informationen, die jede für sich wichtig ist. Beide ergänzen sich zu einem Gesamtbild der Lage. Die absolute Arbeitszufriedenheit gibt an, wo sich eine Person oder eine Gruppe von Menschen auf einer Skala von „extrem unzufrieden“ (-3) über „neutral“ (0) bis hin zu „extrem zufrieden“ (+3) befindet. Die relative Arbeitszufriedenheit drückt aus, inwieweit der gefundene Wert als mehr oder weniger durchschnittlich im Vergleich zu tausenden von Menschen aus der Normstichprobe zu bewerten ist. Dies sind zwei unterschiedliche Informationen. Beispielsweise könnten eine hohe absolute Zufriedenheit in einer Facette insgesamt betrachtet nur einem durchschnittlichen Zufriedenheitswert entsprechen. Die relative Arbeitszufriedenheit hilft dabei, die Lage insgesamt umfassender bewerten zu können.


Das IAZ beinhaltet verschiedene Vergleichsmaßstäbe (Normen), um die relative Zufriedenheit festzustellen, darunter getrennte Normen für Führungskräfte und Normen für Beschäftigte ohne Führungsverantwortung. Inwiefern ist dies sinnvoll?

Zum einen werden bei der Befragung von Führungskräften zwei zusätzliche Facetten der Arbeitszufriedenheit erfasst, die sich auf die Zufriedenheit mit den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beziehen, die in der Befragung von Beschäftigten ohne Führungsaufgaben nicht enthalten sind. Zum anderen sind Führungskräfte in vielen Facetten etwas zufriedener als Beschäftigte ohne Führungsaufgaben.

Voraussetzungen für die Anwendung des IAZ

In welchen Branchen kann das IAZ eingesetzt werden? Gibt es Voraussetzungen seitens der befragten Personen, z.B. in Bezug auf deren Hierarchieebene oder deren ausgeübten Tätigkeit?

Das IAZ kann in allen Branchen und auf allen Ebenen eingesetzt werden. Lediglich bei sehr exotischen Berufsfeldern sollte überlegt werden, ob ein Vergleich mit der Normstichprobe für die untersuchte Gruppe sinnvoll ist. Ist dies nicht der Fall, sollte man auf eine Normierung verzichten und sich nur die absoluten Werte anschauen.


Durch die Corona-Pandemie arbeiten derzeit viele Menschen im Homeoffice oder in Kurzarbeit. Kann das IAZ in diesen Fällen eingesetzt werden bzw. gibt es Einschränkungen bei bestimmten Arbeitsmodellen?

Prinzipiell lässt sich das IAZ auch in diesen Fällen einsetzen. Die Daten sollten dann aber vor dem Hintergrund dieser Besonderheiten interpretiert werden. Wenn Menschen beispielsweise vorrübergehend für einige Monate von zu Hause arbeiten, ist zu erwarten, dass sich die Werte in Bezug auf viele Facetten der Arbeitszufriedenheit verändern. Die Zufriedenheit bezieht sich immer nur auf die aktuelle berufliche Realität. Kehren die Beschäftigten wieder in die alte Arbeitsumgebung zurück, werden sich die Werte auch wieder verändern.


Laut Manual kann das IAZ bei selbstständigen Personen nicht angewendet werden. Was ist der Grund dafür? Gibt es noch weitere Einschränkungen für den Einsatz des IAZ?

Viele der Fragen passen nicht zu der besonderen beruflichen Situation von Selbstständigen. Zudem sind in der Normstichprobe keine Selbstständigen vertreten. Im Zweifelsfall sollte man sich vorher einmal die Fragen durchlesen, um entscheiden zu können, ob sie zu einem sehr spezifischen Arbeitsfeld passen. Insgesamt betrachtet sind die Fragen aber so allgemein formuliert, dass sie zu den allermeisten Arbeitsfeldern passen werden.


Benötigen Personalverantwortliche besondere Kenntnisse, um das IAZ einsetzen zu können?

Sie sollten sich intensiv mit den Angaben des Manuals auseinandersetzen, um die Ergebnisse richtig interpretieren zu können.


In welchen Sprachen steht das IAZ zur Verfügung und ist ggf. geplant, weitere Sprachversionen zu erstellen?

Derzeit gibt es ausschließlich eine deutschsprachige Version. Übersetzungen sind aktuell nicht in Planung.

Kombination mit anderen Verfahren und Ausblick

Sie haben bereits mehrere wichtige Testverfahren für den HR-Bereich entwickelt, darunter das Inventar zur Erfassung von Arbeitsmotiven (IEA), das Inventar sozialer Kompetenzen (ISK) und das Inventar sozialer Kompetenzen in Selbst- und Fremdbild (ISK-360°). Was hat den Ausschlag gegeben, sich nun der Erfassung der Arbeitszufriedenheit zuzuwenden und das IAZ neu zu entwickeln?

Den Ausschlag hat letztlich die überraschende Erkenntnis gegeben, dass bislang für die Praxis der Personalarbeit kein wissenschaftlich fundiertes Instrument zur Erfassung verschiedener Facetten der Arbeitszufriedenheit vorliegt. Dies ist umso verwunderlicher, als dass der Arbeitszufriedenheit eine große Bedeutung zukommt. Nicht umsonst zielen viele Bemühungen im Bereich der Personalauswahl, der Personalentwicklung und der Führung u.a. auch darauf ab, die Arbeitszufriedenheit positiv zu beeinflussen.


Ist es möglicherweise empfehlenswert, die von Ihnen entwickelten Verfahren in der Praxis und/oder Forschung gemeinsam einzusetzen?

Ja, dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn die Untersuchung der Arbeitszufriedenheit Defizite offenbart und die Verantwortlichen tiefergehend nach den Ursachen fahnden wollen. Beispielsweise kommt den sozialen Kompetenzen der Führungskräfte eine große Bedeutung für die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu. Der Einsatz des ISK könnten dabei helfen, konkrete Schwachstellen in den sozialen Kompetenzen der betroffenen Führungskräfte zu identifizieren. Ebenso dürfte die Unzufriedenheit mit der Zusammenarbeit im Team seine Ursachen auch in den sozialen Kompetenzen der Teammitglieder haben. Darüber hinaus entsteht Arbeitsunzufriedenheit, wenn wichtige Arbeitsmotive eines Menschen nicht befriedigt werden. Der Einsatz des IEA kann dabei helfen, festzustellen, welche Arbeitsmotive der Beschäftigten durch ihre Arbeitsplätze nicht hinreichend befriedigt werden. Der IAZ liefert dann in Kombination mit dem IEA Hinweise darauf, wie Arbeitsbedingungen verändert werden müssten, um mehr Zufriedenheit zu schaffen.

 

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Prof. Dr. Uwe P. Kanning

Prof. Dr. Uwe P. Kanning studierte Psychologie, Pädagogik und Soziologie in Münster und Canterbury. 1993 erhielt er sein Diplom in Psychologie, 1997 wurde er zum Dr. phil. promoviert. Von 1997 bis 2009 war Kanning wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter in einer universitätseigenen Unternehmensberatung der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. 2007 habilitierte er sich für das Fach Psychologie. Seit 2009 ist er an der Hochschule Osnabrück Professor für Wirtschaftspsychologie.

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